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Autofreie Mustersiedlung Floridsdorf, Wien

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Österreichs erste autofreie Wohnsiedlung

Portrait

Die autofreie Mustersiedlung im 21. Wiener Gemeindebezirk (Floridsdorf) wurde 1999 fertiggestellt und ist die erste autofreie Wohnsiedlung Österreichs. Sie befindet sich in der Nähe des Bezirkszentrums und des Erholungsgebiets Alte Donau und umfasst 244 Wohnungen. Davon sind ca. 80% Mietwohnungen und 20% Eigentumswohnungen. Ausserdem gibt es 4 Büros / Lokale und zahlreiche Gemeinschaftseinrichtungen.

Detaillierte Informationen: www.autofrei.org

Erfolgsfaktoren

Strenge Verbindung des Wohnrechts in der Anlage mit einem autolosen Lebensstil – seltenes Beispiel der privatrechtlichen Verknüpfung von Autolosigkeit und Nutzungsvertrag

 

    • Ausstattung der Anlage
    • Aussergewöhnlich viele Gemeinschaftseinrichtungen
      a) allgemeine = finanzieren alle Haushalte gemeinsam: Erwachsenenhaus „Wohnzimmer“, Waschsalon, Kinderhaus, Mehrzweckgemeinschaftsraum, Jugendraum mit Dachterrasse und Spielhof.
      b) spezielle = allen zugänglich, werden aber zusätzlich zur allgemeinen Basisfinanzierung individuell abgerechnet: Sauna, Werkstätten und Fitnessraum
    • Mitbestimmung und Selbstverwaltung
    • Inselcharakter der Siedlung im Verkehrsgetöse bewirkt, dass Mobilitäts- und Wohnumfeldqualitätsfragen über die Siedlungsgrenze hinaus in den Stadtteil getragen werden
    • Positive Rahmenbedingungen:
      • Änderung altes Garagengesetz
      • Breite Zustimmung der ursprünglichen WohnungsinteressentInnen zur Verwendung der frei gewordenen Wohnbauförderungsmittel (statt Einsparung)
      • Überproportional hoher Anteil an autolosen Haushalten unter anfänglichen Interessenten
      • Sozialstruktur der Bewohnerschaft: hohes Bildungsniveau begünstigt kommunikative Konfliktlösungen und Interessensausgleiche
      • Grösse der Siedlung (244 Wohnungen)

       

 

Stolpersteine

  • Die Kleinheit der Anlage (244 Wohneinheiten, knapp 11400 m2 Grundstücksfläche) war für zahlreiche Wiener Interessenten oft ein Grund, warum sie doch nicht dort eingezogen sind.
  • Ungenügende Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz
  • Bei Wohnungsbewerbung noch vor Erstbesiedelung wurde die positiven Seiten der Autolosigkeit zu wenig betont; die negativ besetzte „Verzichtsleistung“ stand im Vordergrund. Die Verknüpfung von Mietvertrag und Autoverzicht hat zahlreiche Interessenten, denen die Lage der Siedlung gefallen hatte, abgeschreckt.
  • Engagement und Mitwirkung unterschiedlich, nicht alle gleich engagiert
  • Die Kooperation mit der Hausverwaltung auf dem Gebiet des Wohnungswechsels, Wohnungstausches und des Bewohnerzuzugs ist verbesserungsfähig: Informationsaustausch zwischen Selbstverwaltung und professionellen Hausverwaltung intensivieren
  • Die herausragende Rolle des Fahrrads als wichtiges Verkehrsmittel war in diesem Masse von den planenden Architekten nicht erwartet worden. Der bei der Planung zu Grunde gelegte Schlüssel war zu niedrig angesetzt worden, was sich in einem Mangel an Fahrradstellplätzen niederschlug. In der Anlage musste deshalb zusätzlicher Freiraum für Fahrradboxen verwendet werden.

Erkenntnisse

  • Autofreie Wohnanlagen sollen optimal an ein öffentliches Verkehrssystem angebunden sein und für Fahrrad- und Fussgängermobilität entsprechend sichere und förderliche Umgebungsbedingungen aufweisen.
  • Autofreie Siedlungen sollen an Standorten liegen, von denen aus zumindest die für die Alltagsversorgung erforderliche Infrastruktur fussläufig erreichbar ist.
  • Die Mobilität autoloser Haushalte bedingt einen Flächen- und Raumbedarf für Fahrradanlagen, der grösser als in der Mustersiedlung angesetzt und besser den Wohnungen zugeordnet werden muss.
  • Zielgruppenorientierte Wohnanlagen mit hohem Selbstverwaltungsanteil dürfen eine kritische Mindestgrösse nicht unterschreiten (Reservoir für Gruppeninitiativen) und sollen eine Maximalgrösse nicht überschreiten, bei der die einbindende Bewohnermitbestimmung und Selbstverwaltung nicht mehr funktionieren
  • Schon in der Planungsphase sollen Wohnungsinteressenten eingebunden werden. Eine einheitliches Motto, eine spezielle Zielsetzung (z.B. Autofreiheit o.ähnl.) scheint eine sehr hilfreiche Klammer zu sei sein, die Interessenten verbinden kann.
  • Die Bewohnermitbestimmung in der Planungs- und Besiedelungsphase muss prinzipiell für förderungswürdig erachtet werden. Sie ist eine langfristig wirksame, nachhaltige Investition in die Bestandspflege.
  • Die ideelle (ideologische) „Klammer“ (Themen-, bzw. Zielgruppenorientierung) soll positiv, nicht ausgrenzend „besetzt“ sein. „Autoverzicht“ war ein negatives Beispiel.
  • Je verbindlicher die ideelle Klammer, desto grösser ist die Gefahr der Abschottung und der Ausgrenzung.
  • Themenorientierte Wohnanlagen dürfen nicht nur für einen altersmässig begrenzten Lebensabschnitt der Bewohnerinnen und Bewohner konzipiert werden. Die Nutzbarkeit und die Funktionstüchtigkeit muss Bewohner- und Bewohnerinnengruppen aller Altersstufen gegeben sein („Design for all“.)
  • Das Angebot an Gemeinschaftseinrichtungen soll an die Übernahme des Betriebs und des Managements dieser Einrichtungen in Selbstverwaltung geknüpft werden.
  • Die Kosten der Nutzung und Wartung von Gemeinschaftseinrichtungen sollen differenziert verrechnet werden, in Abhängigkeit vom gemeinschaftlichen und individuellen Nutzen.
  • Bei der Aufteilung von Management- und Wartungsleistungen soll auf eine ausgewogene Balance zwischen externer (professioneller, bezahlter) Hausverwaltung und –betreuung einerseits und ehrenamtlicher Selbstverwaltung andererseits geachtet werden.
  • Die Kooperation, die Funktionen- und Verantwortungsteilung zwischen Hausverwaltung, Selbstverwaltung und Bewohnerinnenvertretung muss auf eine klare rechtliche Basis gestellt werden.
  • Die von den Bewohnern und Bewohnerinnen in der Mitbestimmung und der Selbstverwaltung gemachten Erfahrungen und durch Analysen gewonnenen Erkenntnisse sollten dokumentiert und als „Lehrmaterial“ für sich neu gründende Wohngruppen seitens der Wohnbauförderung und der Bauträger bereitgestellt werden („Wohnberatung“).
  • Die Siedlung hat zwar das Etikett „autofrei“, doch sind die Mitbestimmung der Bewohnerinnen und Bewohner in vielen Angelegenheiten des Wohnens und die Selbstverwaltung ein mindestens ebenso wichtiges Charakteristikum der Siedlung, das ein nach aussen sichtbares Markenzeichen – zusätzlich zur Autofreiheit – längst verdient hätte.

Quelle: SRZ Stadt+Regionalforschung: Autofreies Wohnen – Evaluierung der Mustersiedlung in Wien-Floridsdorf, Download PDF


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